Freitag, 19. April 2024
Notruf: 112

Wen stört die Sirene?

Feuerwehr Neckartailfingen probte den Ernstfall und erntete dafür Kritik aus der Bevölkerung.

Damit im Falle eines Falles jeder Handgriff sitzt, üben die Feuerwehren immer wieder den Ernstfall. So auch die Neckartailfinger Wehr, die am Mittwochabend vom Szenario eines brennenden Autos nach einem Unfall ausging. Die Übung gefiel nicht allen Bürgern.

Ein mit zwei Personen besetzter Kleinwagen, der auf der K 1229 von Neckarhausen kommend in Richtung Neckartailfingen fährt. Kurz vor der Autmutbrücke übersieht der 19-jährige Fahrzeuglenker eine enge Kurve und verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug. Hierbei kommt es zum Frontalzusammenstoß mit einem entgegenkommenden Ford Mondeo. Durch den Aufprall überschlägt sich der Kleinwagen und blieb auf der Seite liegen. Der Mondeo wird auf eine Wiese geschleudert und kommt kurz vor der Autmut zum Stehen. Das Fahrzeug geht sofort in Flammen auf und droht zudem in die Autmut zu stürzen. Im Mondeo sind zwei Personen mit lebensgefährlichen Verletzungen eingeklemmt. Auch in dem Kleinwagen ist eine Person eingeklemmt. Der Unfallverursacher rennt im Schock in ein angrenzendes Waldstück und bricht dort bewusstlos zusammen – so weit das Szenario, das der Übung zugrunde lag.

Bei der Alarmierung wussten die Feuerwehrleute noch nicht, dass es sich um eine Übung handelte. Sie rückten mit vier Fahrzeugen zum Unfallort aus und machten sich an die Arbeit. Nach kurzer Zeit konnten alle Verletzte mit hydraulischem Rettungsgerät aus ihren Fahrzeugen befreit werden. Um den Ernstfall möglichst realitätsnah zu proben, wurde der Fahrzeugbrand mit Pyrotechnik und brennenden Holzpaletten simuliert. Auch der Malteser-Rettungsdienst beteiligte sich mit drei Rettungswagen aus Nürtingen, Plochingen und Reutlingen an der Übung.

So weit hätte die Übung der Feuerwehr und des Rettungsdienstes als Erfolgsgeschichte verbucht werden können, die bei einem Vesper nochmals besprochen wird. Doch einige Mitbürger störten sich daran. Wie Sebastian Kurz von der Feuerwehr in einer Stellungnahme auf Facebook schildert, hatte es mehrere Beschwerden über den Sirenenalarm und den damit verbundenen Lärm gegeben. Er schreibt dazu: Eine Feuerwehrsirene, wie sie in der Gemeinde zweimal vorhanden ist, heult nur in sehr seltenen Ausnahmesituationen, wie beispielsweise beim Jahrhunderthochwasser. Ein bis maximal zwei Mal jährlich findet eine Sirenenprobe statt, um die Funktionsfähigkeit des Alarmierungsnetzes zu testen. Genau das fand am Mittwochabend gegen 18.50 Uhr statt. Die Sirenenprobe dauerte ungefähr eine Minute.

Straßenabsperrung einfach ignoriert

Die Übung fand auf der Kreisstraße 1229 zwischen Neckartailfingen und Neckarhausen statt, die derzeit wegen Sanierungsarbeiten gesperrt ist. Laut Kurz ignorierten zahlreiche Verkehrsteilnehmer die Absperrung, um so nah wie möglich an den Ort des Geschehens zu gelangen. „So ein Lärm nur wegen einer Übung“, „Das macht ihr aber nicht noch mal“, riefen Schaulustige laut Kurz den Feuerwehrleuten zu. Auch telefonische Beschwerden gingen bei der Feuerwehr ein. Eine Frau habe verlangt, es solle nur noch tagsüber geübt werden. „Das ist schlicht nicht möglich, da unsere Einsatzkräfte tagsüber bei der Arbeit sind und nur im Einsatzfall den Arbeitsplatz verlassen können“, so Kurz. Ein bis zwei Mal im Jahr findet eine unangekündigte Alarmübung statt. Diese wird oft mit der Funktionsüberprüfung der Sirene verbunden und die Fahrzeuge fahren mit Blaulicht und Martinshorn zum Übungsort.

Feuerwehrmann Kurz fragt nun: „Sind diese wenigen Minuten es wert, sich darüber aufzuregen? Wären Sie nicht auch froh, wenn Ihr Leben in Gefahr ist, Ihr Haus in Flammen steht oder Sie nach einem Verkehrsunfall im Fahrzeug eingeklemmt sind, diesen ,Lärm‘ zu hören und zu wissen, innerhalb kürzester Zeit bekommen Sie Hilfe?“ Die Helfer der Feuerwehr Neckartailfingen werden jährlich zu rund 150 Einsätzen alarmiert, die Alarmierung erfolgt dabei über digitale Meldeempfänger, ohne dass der Bürger davon erfährt. „Während dieser Zeit lassen wir unsere Familien allein und begeben uns nicht selten in Gefahr, um Mensch und Tier zu retten.“

Kurz appelliert an die Bürger: „Wenn Sie das nächste Mal die Sirene oder das Martinshorn hören, können Sie sich wieder aufregen und beschweren – vielleicht denken Sie aber auch ,Auf die Feuerwehr Neckartailfingen ist Verlass‘ und freuen sich, dass es in der heutigen Zeit überhaupt noch Menschen gibt, die sich ehrenamtlich und ohne Eigennutz für andere einsetzen.“

 

 

Quelle: Nürtinger Zeitung, 17.11.2017 / PM

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